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Written by Gil Yaron   
Friday, 01 January 2010
Kampf um die Tunnel

Ein Ungetüm entsteht dieser Tage an der Grenze zwischen dem Sinai und dem Gazastreifen. Rund elf Kilometer lang soll die neue Stahlmauer werden, die die Regierung Ägyptens mit amerikanischer Hilfe errichtet. Die 50 Zentimeter dicken Spezialstahlplatten, die angeblich weder geschweißt noch gesprengt werden können, sollen bis ans Grundwasser 30 Meter tief in den Boden reichen. Ziel dieser außergewöhnlichen Maßnahme ist, den Waffenschmuggel und den unkontrollierten Kontakt mit den radikal-islamischen Machthabern im Gazastreifen zu kappen.

Für die Hamas und den Gazastreifen ist der Bau dieser Mauer eine Hiobsbotschaft. Schätzungsweise 70.000 Bewohner des Gazastreifens verdienen ihren Lebensunterhalt Dank der schätzungsweise 500-1000 Tunnel, die sich acht bis fünfzehn Meter unterhalb der Grenze durch den sandigen Boden ziehen. Die Tunnel sind so institutionalisiert, dass die Grenzstadt Rafah die Schmuggler für eine Gebühr mit Strom und Wasser versorgt. Von Viagra über Lebensmittel und Treibstoff bis zum Löwen für den Zoo von Gaza wird alles, mit dem man Geld verdienen kann, durch die Tunnel geschleust. Die Hamas und ihre radikal-islamischen Verbündeten stellen sie deswegen gern als eine humanitäre Rettungsleine dar: „Ich rufe den Helden Mubarak dazu auf, die Bauarbeiten einzustellen“, sagte der Hamas Premier Ismail Haniyeh vor wenigen Tagen. „Wir bedrohen Ägypten nicht und wollen uns nicht in die inneren Gelegenheiten unserer Nachbarn einmischen.“ Aus Beirut wetterte Hassan Nasrallah, Führer der pro-iranischen schiitischen Hisbollahmiliz: „Das Ziel dieses Metallzaunes ist es, die letzten schmalen Arterien, die Gaza Leben verleihen, abzuschnüren.“

Doch nicht nur Handelsware, auch Waffen und Terroristen finden ihren Weg unterirdisch und gelangen so nach Gaza oder in die Ausbildungslager der iranischen Revolutionswächter. Die Hamas finanziert sich maßgeblich über die Steuer, die sie für die Betreibung der Tunnel erhebt. Ohne die Tunnel wäre die massive Aufrüstung der Hamas, die mit ihren Raketen bereits Tel Aviv beschießen kann, weder finanziell noch logistisch denkbar. Die Unterbindung des Schmuggels ist für die Hamas deswegen nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein strategischer Schlag. Der ehemalige libanesische Minister Wiam Wahab verurteilte Mubarak wegen seiner vermeintlichen Kooperation mit der israelischen Besatzung: „Husni Mubarak ist ein Verbrecher. Er ist völlig verrückt geworden“, sagte Wahab, stellvertretend für die hasserfüllte Tiraden, die zunehmend im Gazastreifen vernehmbar sind.

Diese Abneigung wird inzwischen von den Ägyptern erwidert. Erst vor wenigen Wochen soll ein führender Hamasaktivist in ägyptischer Haft zu Tode gefoltert worden sein, werfen die Islamisten Kairo vor. Seitdem die Hamas vor rund zwei Jahren die Macht in einem blutigen Putsch an sich riss, eskalieren die Spannungen zwischen Kairo und Gaza fortwährend. Mit dem Bau der Mauer erreicht die Krise einen neuen Höhepunkt. Ägypten errichtet die Mauer nicht, um Israel zu schützen. Vielmehr fühlt sich Kairo zusehends von der Hamas bedroht. „Ägypten baut ausschließlich, um sich und seine Souveränität zu verteidigen“, sagte Außenminister Achmed Abul Gheit zum Bau der Mauer. Eine gut abgestimmte Kampagne der staatlichen Medien erläutert im Klartext, wovor sich die Ägypter fürchten. „Die Israelis wollen uns die Verantwortung für den Gazastreifen zuschieben. Das können wir nicht zulassen“, zitierte die Regierungszeitung Al-Ahram eine „hochrangige diplomatische Quelle“. Ein Grenzzwischenfall vor mehr als einem Jahr demonstrierte den Ägyptern was es bedeutet, die Kontrolle über ihre Südgrenze zu verlieren. Damals ließ die Hamas die Grenze zum Sinai vor laufenden Kameras von einer Menschenmenge durchbrechen. Tausende Bewohner Gazas strömten unkontrolliert ins Nachbarland, aus ägyptischer Sicht ein Albtraum.

Doch damit nicht genug. Im April flog in Ägypten eine Terrorzelle der libanesischen Hisbollah auf. Laut der Anklage hatte sie mehrere große Attentate geplant, deren Absicht es war, das Regime zu destabilisieren. Ein Angriff auf die Schifffahrt im Suezkanal und auf Touristen sollte die beiden wichtigsten Einnahmequellen des Landes bedrohen. Der Fluchtweg, den die libanesischen und palästinensischen Terroristen vorbereitet hatten, war ein Tunnel in den Gazastreifen. Spätestens seit einer Reihe von Attentaten, in die auch Palästinenser aus Gaza verwickelt waren, und der Aufdeckung der Hisbollah-Terrorzelle ist den Ägyptern die Gefahr bewusst, die vom unmittelbaren Kontakt zu islamistischen Regime im Gazastreifen für sie ausgeht.

Daheim kämpft Mubarak seit Jahren mit aller Härte gegen die Muslimbruderschaft, der Mutterorganisation der Hamas. Mehr als 5000 ihrer Anhänger befinden sich in Haft, trotzdem errangen Vertretern ihrer verbotenen Partei 88 Sitze im Parlament. Vor einer Woche erfuhr ihre Bewegung in internen Wahlen einen weiteren Rechtsruck. Vertreter des militanten salafistischen Flügels wurden auf die wichtigsten Posten gewählt. „Wir wollen den humanistischen Organisationen gern helfen, Gaza unter die Arme zu greifen. Aber wir können nicht ignorieren, dass die Muslimbrüder und die Hamas versuchen, an der Grenze zu Gaza Unruhe zu stiften um im Inland für Aufruhr zu sorgen“, sagte eine hochrangige Quelle aus dem ägyptischen Sicherheitsapparat der staatlichen Zeitung Al Ahram.

Zu den innenpolitischen Spannungen gesellen sich Fragen außenpolitischen Prestiges. In den vergangenen Wochen hat die Hamas Kairo gleich mehrere Stümper erteilt. Sie hat die ägyptischen Vermittlungsbemühungen in den Versöhnungsgesprächen zurückgewiesen und Kairos Unterhändler in den indirekten Gesprächen mit Israel durch einen Vertreter des BND ersetzt. Mubarak wurde damit kompromittiert. Kein Wunder, dass manche Mitglieder der Hamas den Bau der Mauer als Bestrafung für das beleidigende Verhalten ihrer Führung deuten.

Vorbei sind die halbherzigen Versuche, den Schmuggel zu unterbinden. Ägyptische Truppen, von Ingenieuren der US-Armee unterstützt, überfluteten bisher die Tunnel, die sie fanden. Palästinensische Schmuggler berichten von einem tödlichen Gas, das in anderen Fällen zum Einsatz gekommen sein soll. Unterirdische Sprengungen brachten weitere Tunnel zum Einsturz. Dabei sollen in den vergangenen Monaten etwa 120 Palästinenser und zig ägyptische Soldaten getötet worden sein.

Klar ist, dass Kairo jetzt durchgreifen will. Die im Bau befindliche Metallmauer wird von der Hamas als Kriegserklärung empfunden. Sie hat begonnen, im Gazastreifen Massendemonstrationen gegen die neue Mauer zu organisieren. Immer wieder kommt es an der Grenze zu Schusswechseln, denen auf ägyptischer Seite Bauarbeiter und Soldaten zum Opfer gefallen sein sollen.

© 2009 Gil Yaron - Making the Middle East Understandable

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© 2010 Gil Yaron - Making the Middle East Understandable