Terroristische Gedanken lesen
Im Kampf gegen den Terror waren die Attentäter bisher im Vorteil: Sie konnten sich unerkannt ihrem Ziel nähern. Eine israelische Firma behauptet nun, dem ein Ende zu machen. Ihr Gerät soll Terroristen bereits im Vorfeld identifizieren können – indem sie ihre Gedanken liest.
Es hört sich an wie Science Fiction: Dem jungen Mann ist nicht anzusehen, dass er das Flugzeug entführen will. Er trägt keine Waffen, stammt aus Europa. Doch kurz nach dem Check-In am Flughafen nehmen ihn zwei Sicherheitsbeamte in Gewahrsam, während die anderen Passagiere ins Flugzeug steigen ohne aufgehalten zu werden. Im Verhör stellt sich heraus, dass er einet Terrororganisation angehört, das Attentat wurde verhindert.
Dieses fiktive Szenario soll schon bald Realität werden. In Israel haben Feldversuche mit einem Detektor begonnen, der angeblich die Gedanken potentieller Terroristen aus zwei Metern Entfernung ausmachen kann. Ehud Givon, Geschäftsführer der israelischen Firma weCU (ein Wortspiel für das Englische: Wir sehen Dich), ist sich sicher: „Wir werden die Flugsicherheit bedeutend verbessern.“
Das neue System basiert auf einem altbekannten Phänomen: „Menschen reagieren ständig auf äußere Reize. Dabei gibt es einen Unterschied, ob uns der Reiz etwas sagt, oder ob er aus unserer Sicht neutral ist“, sagt Givon. Säße beispielsweise ein Deutscher zwischen mehreren US-Amerikanern in Texas am Flughafen, könne man sie anfangs nicht unterscheiden. „Jetzt stelle man sich vor, ich spiele ganz leise im Hintergrund ein paar Töne der Nationalhymne“, sagt Givon. Den Amerikanern sagt der erste Takt von Joseph Haydns Melodie wenig, der Deutsche wird aber unbewusst darauf reagieren.
„Es handelt sich um minutiöse Veränderungen“, sagt Givon. „Aber sie sind messbar.“ Über die Kriterien, die das neue Gerät verwendet, schweigt Givon sich aus. Die meisten technischen Aspekte dürften aber bereits seit langem bekannt sein. Bei Erregung steigt die Temperatur der Haut um hundertstel Grad Celsius, da mehr Blut an die Oberfläche strömt, die Atemfrequenz steigt, Pupillen weiten sich, die Stimme vibriert in einer anderen Frequenz. Dies sind nur wenige der vielen bekannten Reaktionen auf bekannte Reize, oder Stimuli, die mit herkömmlichen Methoden messbar sind. „Die eigentliche Arbeit war weniger, neue Messgeräte zu entwickeln. Vielmehr konzentrierte sich unsere Forschung auf die Frage: Wie platziere ich spezifische Stimuli unauffällig so, dass nur die erwünschte Zielgruppe darauf reagiert?“, sagt Givon.
Sechs Jahren lang erprobten führende israelische Psychologen und Anti-Terror Experten das neue Reizsystem, dass nun helfen soll, Terroristen bereits im Vorfeld zu entdecken. „Wir können aus einer Entfernung von etwa zwei Metern beobachten, wie der Mensch auf Stimuli reagiert, wenn er beispielsweise seinen Check-In macht“, sagt Givon. Innerhalb von zweieinhalb Minuten wird das Subjekt so bis zu sechs verschiedenen Reizen unterworfen, ohne dies zu bemerken. „Es könnte beispielsweise ein Symbol sein, das nur Mitgliedern einer bestimmten Terrorgruppe etwas sagt“, sagt Givon. Entdeckt das System von weCU eine Reaktion, wird die Sicherheit alarmiert. „Unser System kann keine Gedanken lesen“, betont Givon. „Es kann nur feststellen, ob gewisse Reize einem Menschen bekannt sind oder ihm emotional etwas bedeuten. Es gibt deswegen eine neutrale Warnung. Sicherheitsbeamten müssen später feststellen, woher der Verdächtige diese Reize kennt.“ Ein Anti-Terror Experte könnte also auch im Netz der Fahnder landen.
Wo genau weCU zum Einsatz kommt ist vorerst geheim. Laut Givon ist das System aber universell einsetzbar. „Die Stimuli können beliebig ersetzt werden. Man kann die Maschine theoretisch dazu nutzen, um Weinkenner oder Pädophile auszumachen“, sagt Givon. Auch in Europa soll man sich für das neue Sicherheitssystem bereits interessiert haben.
© 2009 Gil Yaron - Making the Middle East Understandable
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