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Written by Gil Yaron   
Tuesday, 26 January 2010
Phoenix aus der Asche

Herr Haelion, wann haben Sie das erste Mal Deutsche gesehen?

Ich stamme aus Saloniki in Griechenland. Der Anfang des Krieges ging an uns vorbei, für uns geschah das nur in fernen Ländern. Erst der Angriff Italiens im Oktober 1940 brachte uns Juden den Krieg nah. Die ersten Deutschen marschierten im April 1941 in unserer Stadt ein. Ich erinnere mich noch gut an die einmarschierenden Truppen.

Begann die Judenverfolgung sofort?


Nein, wir hatten Angst wie alle anderen auch, wir lebten eigentlich einen normalen Alltag. Ich konnte sogar weiterhin in die gemischte Schule mit christlichen Kindern gehen. Das änderte sich erst im Juni 1942. Die Deutschen forderten alle jüdischen Männer im Alter 18-45 auf, sich am Stadtplatz einzufinden und zu registrieren. Bald hörten wir davon, wie unsere Männer von der Wehrmacht misshandelt und geschlagen wurden, viele wurden zur Zwangsarbeit abtransportiert. Danach begannen die Schikanen: Ich konnte nicht mehr in die Schule, wir mussten unsere Häuser markieren und wurden in fünf Ghettos zusammengefasst, dann wurden wir gezwungen, den Judenstern anzustecken.

Dachten Sie damals bereits an Tod?


Ach wo, wer dachte damals daran. Als die Nazis uns sagten, alle Juden würden nach Krakau geschickt, dachten wir: Das ist nichts Neues in der jüdischen Geschichte. Wir wurden ja schon oft aus Ländern ausgewiesen. Viele dachten, in Polen würde es uns besser gehen, schließlich wurde die Lage in Griechenland immer schwieriger. Also bereitete man sich auf die Reise vor, kaufte besondere Kleidung und Ausrüstung für den Transport.

Und dann kamen Sie nach Auschwitz?

Unser Transport verließ Saloniki am 7. April 1943. Mehr als 90 Menschen wurden in jeden Viehwagen gesteckt, mit einem Fass als Toilette. Alle zwei Tage nur durften wir kurz die Wagen verlassen, um zu trinken und das Fass zu leeren. Nach fünft Tagen erreichte der Zug Auschwitz.

Verstanden die Menschen jetzt, worum es den Nazis ging?

Es ist heute schwer zu fassen, aber noch immer dacht niemand an Massenmord. Es gab damals die Rampe noch nicht, also wurden wir in einem Feld aufgestellt. Man befahl uns, uns in drei Gruppen aufzuteilen. Arbeitsfähige Männer, arbeitsfähige Frauen, junge Männer, und Alte, Mütter mit Kindern. Man sagte uns, die Alten, Mütter und Kinder würden sofort in das Aufnahmelager gebracht, die anderen woanders hin. Wir wussten nicht, dass man sie sofort in die Gaskammern brachte. Also sagten wir meiner Schwester, sie solle mit den Großeltern und meinen kleinen Neffen gehen. Damit verurteilten wir sie zum Tode.
Wir Männer bekamen die gestreifte Häftlingsuniform und die Nummer in unsere Arme tätowiert. Meine Nummer ist 114923. Zwei Wochen lang lernten wir die Befehle auf Deutsch und die Regeln des Lagerlebens. Ich arbeitete zwei Monate lang in Auschwitz in verschiedenen Arbeitskommandos, bis ich einen Bekannten aus Saloniki traf, der in Birkenau gewesen war. Ich fragte ihn:„Hast Du meine Familie gesehen?“, er antwortete „Nein“. Dann erzählte er mir von den Gaskammern und den Krematorien. Erst dann verstand ich das wahre Ausmaß des Verbrechens. Ich hatte es vorher einfach nicht wahrhaben wollen.

Wie reagierten Sie?

Was sollte ich schon tun? Ich stülpte mir abends die Decke über den Kopf und weinte. Aber tagsüber musste man arbeiten, sonst war man des Todes. Im Lagerlazarett lernte ich einen polnischen Geistlichen kennen, der von mir Griechisch lernen wollte. Für den Unterricht gab er mir extra Brot. Nur so konnte ich überleben.

Wie erlebten Sie die Befreiung Auschwitz durch die Russen 1945?

Gar nicht. Die Nazis waren damit beschäftigt, Beweise zu vernichten. So trieben sie die meisten Häftlinge, etwa 58.000, aus dem Lager auf den sogenannten Todesmärschen in den Westen. (Nur 7000 Häftlinge, die zu schwach waren, um zu gehen, blieben zurück – Anm. d. Verf.) Wir zogen mit dem letzten Marsch los, am 18. Januar 1945. Bis April durchlief ich mehrere KZs, über Mauthausen und Melk bis nach Ebensee, wo wir Tunnel graben mussten. Ich war so abgemagert und hungrig, dass ich sogar Kohle ass. Sie schmeckt übrigens recht süß. Am letzten Tag des Krieges wollten die SS-Wachen uns noch in den Tod treiben, aber wir waren gewarnt und spielten nicht mit. Plötzlich sahen wir, dass auf den Türmen keine Wachen mehr standen. Da verstanden wir, dass wir es überlebt hatten. Alle stürzten sich als erste auf die Nahrungsreserven der Wache. Am Tag danach erschien der erste Panzer der US-Armee vor dem Lager.

Nach dem Krieg wollte Haelion anfangs nach Griechenland zurückkehren. In einer Zufallsbegegnung mit jüdischen Soldaten wurde er aber davon überzeugt, nach Palästina zu gehen. Haelion machte als Offizier in der israelischen Armee Karriere. Haelion ist verheiratet, hat zwei Kinder und sechs Enkel.

Was bedeutet der Tag der Befreiung Auschwitz für Sie?

Es ist ein Zeichen, dass die Welt sich endlich um den Holocaust schert. Aber mir persönlich sagt er nichts. Ich trage die Erinnerung an Auschwitz täglich in mir.

Was ist die wichtigste Lehre aus dem Holocaust?

Dass wenn uns jemand sagt, dass er uns vernichten will, er es damit auch ernst meint. Niemand von uns glaubte damals, dass Hitler uns ausrotten will. Eine andere wichtige Lehre ist, dass wir Juden stark sein müssen, um uns in Zukunft selbst zu verteidigen.

Hassen Sie Deutschland oder Deutsche?

In meinem Herz ist kein Platz für Hass. Ich war sogar einmal in Berlin, aber das fiel mir sehr schwer. Ich ziehe es vor, Begegnungen mit Deutschen aus dem Weg zu gehen.

Was war nach dem Krieg der wichtigste Augenblick ihres Lebens?

Als ich vor wenigen Jahren in Uniform in Auschwitz der israelischen Flagge salutierte. Da habe ich endgültig begriffen, dass wir die Schoa nicht nur überstanden, sondern gewonnen haben. Unser Volk ist buchstäblich aus der Asche wieder auferstanden.

Herr Haelion, ich danke für dieses Gespräch

© 2009 Gil Yaron - Making the Middle East Understandable

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© 2010 Gil Yaron - Making the Middle East Understandable