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Written by Gil Yaron   
Wednesday, 16 February 2011
Islamisten hoffen auf mehr Wandel

Gil Yaron und Ali Waked

Als Ägyptens Präsident Hosni Mubarak vergangenes Wochenende gestürzt wurde, rief die Hamas in Gaza zu Freudenkundgebungen auf: „Der Rücktritt Mubaraks ist der Anfang des Sieges der ägyptischen Revolution, die wir voll und ganz unterstützen“, sagte Hamassprecher Sami Abu Suhri. Ägyptens Pharao wurde zum Feind der Hamas nachdem sie im Sommer 2007 blutig an die Macht putschte. Mubarak fürchtete einen Schulterschluss zwischen der Hamas und der eigenen Opposition der Muslimbrüder. So begann er, eng mit Israel zu kooperieren. Ägypten half bei der Blockade des Gazastreifens, trieb an der Grenze sogar eine mehr als 20 Meter tiefe Stahlmauer in den Boden, um den Schmuggel nach Gaza zu unterbinden und die Hamas wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Kein Wunder also, dass die Islamisen sich über den Niedergang ihres mächtigsten arabischen Feindes freuen: „Wir hoffen, dass die Muslimbrüder an Ägyptens neuer Regierung beteiligt werden. Wandel würde unsere Lage deutlich verbessern“, sagte Abu Abdallah, Kommandant der Kassambrigaden im Südsektor Gazas, in einem Telefoninterview mit unserer Zeitung. Die Kassambrigaden sind der bewaffnete Arm der Hamas.
 
Die Ereignisse in der ersten Woche der Unruhen in Ägypten zeigen, welchen Wandel Abu Abdallah meint. Während in Gaza Stadt Tausende sich mit den Demonstranten in Kairo solidarisch zeigten, fand in der Grenzstadt Rafah wenige Kilometer weiter südlich eine andere Feier statt: „Es war eine große Party“, sagt Abu Muhammad, der aus Sicherheitsgründen ein Pseudonym benutzt, unserer Zeitung. Der 38 Jahre alte Familienvater ist einer der Schmuggler, die Rafah zu einer wohlhabenden Stadt gemacht haben. Ihm gehören drei Tunnel, durch die Güter aus dem Sinai auf die Märkte Gazas gelangen – und Waffen aus dem Iran in die Hände der Hamas. Als die Welt gebannt auf den Tahrirplatz blickte, waren seine 25 Angestellten damit beschäftigt, tief unter der Erde Waren hin und her zu tragen. Es eine goldene Gelegenheit, denn die Polizisten im Sinai hatten alle Hände voll damit zu tun, einen bewaffneten Beduinenaufstand niederzuschlagen. „Alles war frei“, freut sich Abu Muhammad: „Die Hamas brachte ganze Lastwagenladungen, große Kästen. Es könnten sogar ballistische Raketen gewesen sein“, sagt der Schmuggler, und lacht über einen Witz, den er nur halb zum Spaß macht. „In den ersten Tagen gelang es der Widerstand, neue Waffen anzuschaffen“, bestätigt Kommandant Abu Abdallah, ohne in Details zu gehen.
 
Die Güter flossen nicht bloß in eine Richtung. Seitdem Israel im vergangenen Jahr die Blockade Gazas lockerte, sind die Regale hier wieder voll: „Uns fehlt fast nichts. Im Gegenteil, manche Waren sind im Überfluss da, die Menschen kaufen nicht genug“, sagt Hamsa Muqbil, der einen kleinen Supermarkt in Bait Lahiyah betreibt. „Nur ein paar Zigarettenmarken sind ausgegangen.“ Im Sinai hingegen wurden die Versorgungslinien abgeschnitten. Gewiefte Schmuggler wie Abu Muhammad griffen die Gelegenheit beim Schopf und exportierten israelische Güter in den Sinai. Sie lieferten nicht bloß Lebensmittel: „Bei den Aufständen in Al Arisch und Scheich Sued lieferten wir auch leichte Waffen, um uns unseren beduinischen Geschäftspartnern erkenntlich zu zeigen“, sagt Abu Muhammad. 
 
Die engen Beziehungen zwischen den Beduinen und den Schmugglern ermöglichte es der Hamas, dem wichtigsten Arbeitgeber der Schleichhändler, alle ihre Aktivisten aus ägyptischen Gefängnissen zu befreien. Vergangene Woche hielt Ayman Nofel, ehemaliger Kommandeur der Kassambrigaden in den Flüchtlingslagern, einen triumphalen Einzug in Gaza ab, nachdem er nach drei Jahren Haft aus einem Gefängnis in Ägypten ausgebrochen war. Nur zehn Palästinenser befänden sich noch jenseits der Grenze in Haft, sagt Abu Abdallah. Keiner von ihnen gehört zur Hamas.
 
Die „goldene Stunde“ der Hamas scheint aber vorbei. Wenige Tage nach Ausbruch der Revolution gestattete Israel es den Ägyptern, zwei Bataillone mit insgesamt 800 Soldaten in den Sinai zu verlegen. Laut dem Friedensvertrag ist die Halbinsel demilitarisiert. Am Mittwoch erhielten sie weitere Verstärkung. Vorerst ist eine gespannte Ruhe eingekehrt, und jetzt schlägt die Armee gegen Schmuggler und Beduinen zurück: „Sie suchen nach unseren Kämpfern. Sie haben noch immer dieselbe Haltung zu uns wie vor der Revolution“, sagt Abu Abdallah. „Sie haben ja noch nicht einmal den Personenübergang in Rafah geöffnet.“
 
Abu Abdallah träumt von Israels Albtraum: dass die Muslimbrüder in Kairo an die Macht kommen. Dafür brauche es aber Geduld: „Wahrscheinlich werden die Muslimbrüder in naher Zukunft keine zentrale Rolle spielen. Sie konzentrieren sich auf innenpolitische Fragen, und wollen niemand gegen sich aufbringen.“ Vorläufig erwartet er schwere Zeiten: „Die Militärs sind bemüht, dem Westen und Israel zu zeigen, dass man sich auf sie verlassen kann, und werden deshalb hart gegen uns vorgehen.“
 
Deswegen setzt die Hamas vorerst weiter auf das Bündnis mit Iran: „Wir haben keine Wahl, wir müssen eng mit dem Iran zusammenarbeiten, außer, in Ägypten herrscht ein anderes Regime und wir gewinnen strategische Tiefe und einen arabischen Partner.“ Trotzig erklärt der Kommandant: „Weder das Truppenaufgebot im Sinai noch Mubaraks Eisenmauer werden uns davon abhalten, Waffen nach Gaza zu bringen oder unsere Brüder zur Ausbildung ins Ausland zu entsenden. Die Beziehungen zum Iran bleiben bestehen.“
 
Während die Schmuggler der Hamas sich bemühen, Ringe ägyptischer Soldaten zu durchbrechen, hat die Hamas bereits eine eigene Blockade im Gazastreifen verhängt. Am Montag verkündete ihr Finanzministerium, dass die Einfuhr einer Vielzahl israelischer Güter fortan verboten sei. Es gebe Ersatz, der in Gaza selbst hergestellt werde, sagte der Sprecher des Ministeriums Ibrahim Dschaber: Softgetränke, Kleidung, Möbel oder Toilettenpapier aus Israel sind fortan aus Gaza verbannt. Für viele Kleinhändler ist das ein schwerer Schlag: „Meine Kunden ziehen die qualitativ besseren israelischen Waren vor, selbst wenn sie fast doppelt so teuer sind“, sagt der Supermarkteigentümer Hamsa Mukbil. „Wenn sie unbedingt wollen, dass wir Kleider aus Gaza anziehen, dann sollen sie doch einfach bessere Klamotten herstellen“, sagte ein Kleiderverkäufer, der anonym bleiben wollte. 
 
Die Charta der Hamas sieht zwar eine wirtschaftliche Abkopplung von Israel und die Stärkung der eigenen Industrie vor. Experten vermuten jedoch eine andere Motivation hinter dem neuen Gesetz: Die Tunnelsteuer, die die Hamas von Tunnelbetreibern in Rafah erhebt, ist zu einer bedeutenden Einnahmequelle für sie geworden. Je mehr geschmuggelt wird, desto reicher wird die Hamas. So unterband sie unlängst Treibstofflieferungen aus Israel, und importiert selbst minderwertigen Treibstoff aus Ägypten, den sie in Gaza verkauft.

© 2011 Gil Yaron - Making the Middle East Understandable

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