Bahrain in Aufruhr
„Der Perlenplatz wird unser Tahrirplatz“, lautete das Motto der Opposition in Bahrain gestern (Mittwoch). Tausende Bahrainis demonstrierten zum zweiten Tag in Folge auf dem zentralen Platz der Hauptstadt Manama und kopierten damit die Massenproteste in Kairo, die Ägyptens Diktator Husni Mubarak zum Sturz gebracht hatten. Sie wollen den Platz erst räumen, wenn alle ihre Forderungen erfüllt sind: „Unsere Regierung sollte vom Volk gewählt werden und ihr Rechenschaft abgeben“, fasste der Oppositionspolitiker Scheich Ali Salman zusammen. Rund 10.000 Demonstranten ließen sich selbst durch massive Polizeigewalt nicht mehr einschüchtern. Anfang der Woche waren zwei Demonstranten erschossen worden. Nachdem Revolutionen in verarmten arabischen Staaten zwei Regime stürzten, schwappt der Unmut erstmals in einen reichen Ölstaat über.
Bahrain gilt im Gegensatz zu seinen Nachbarstaaten als liberal. Hier tagt ein gewähltes Parlament. Bahrains Hotels sind für den Whiskey bekannt, der in Minibars in Literflaschen zu haben ist. In Geschäften und Nachtclubs wird Alkohol verkauft. Das Land ist die Spielwiese tausender Saudis, die an Wochenenden anreisen um sich zu entspannen.
Trotz der Freizügigkeit sind Demonstrationen hier nicht neu. Die Spannungen rühren vom inner-islamischen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten, die sich seit der Schlacht von Kerbala im Jahr 680 um die Nachfolge des Propheten Muhammad streiten. Die zwei Lager bekämpften sich oft bis auf Blut und betrachten einander als Häretiker. Weltweit sind Schiiten mit 15% in der Minderheit, in Bahrain aber machen sie etwa 70% der schätzungsweise 500.000 Bürger aus. Der Inselstaat ist damit einer der einzigen arabischen Staaten mit schiitischer Mehrheit. Trotzdem wird der Staat seit der Vertreibung der Perser im Jahr 1783 von einer sunnitischen Herrscherfamilie regiert, die die Schiiten im Land diskriminiert.
Schon November 2010 kam es bei Parlamentswahlen zu schweren Spannungen. Hunderte Oppositionelle wurden verhaftet. Schiiten werfen der Regierung systematischen Wahlbetrug vor: In ihren Wahlkreisen wurden rund 20.000 Stimmen zusammengefasst, in sunnitischen wenige tausend. Nur 17 der 40 Sitze der unteren Kammer gingen an Schiiten. Gesetzesvorlagen können von einer oberen Kammer, die von König Scheich Hamad bin Isa Al Khalifah ernannt wird, abgelehnt werden.
Die Regierung schützte sich bisher mehrfach vor einem Umsturz. Der König gestattete den USA, hier die Fünfte Flotte zu stationieren, um sich vor einem Zugriff des Irans abzusichern, der die strategisch platzierte Insel als abtrünnige Provinz betrachtet. Washington übte auch deswegen bisher nur rückhaltende Kritik an Khalifa. Gleichzeitig holt Bahrains Einwanderungspolitik aktiv Sunniten ins Land. Laut manchen Schätzungen wurden in den vergangenen Jahren mehr als 200.000 Pakistaner, Ostafrikaner und Bürger anderer arabischer Staaten eingebürgert. Viele neue Staatsbürger dienen in den Sicherheitsdiensten, die Khalifas Thron sichern. Gleichzeitig begann der König seit seiner Machtübernahme 1999 vorsichtige Reformen. Vergangene Woche versprach er jeder Familie einen Zuschuss von US$ 2700 und eine Lockerung der Zensur. Am Dienstag kondolierte er in einer Fernsehansprache den Familien der Todesopfer und versprach, die Reformen fortzuführen. Doch es ist fraglich, ob die Demonstranten sich damit zufrieden geben werden. Sie wollen den Rücktritt des Premiers, dem Onkel des Königs, der seit 40 Jahren im Amt ist, eine neue Verfassung und die Freilassung politischer Häftlinge.
Die Unruhen in Bahrain lösen in den reichen Nachbarstaaten noch mehr Sorge aus als die Revolution in Ägypten. Sie zeigen, dass Unmut nicht auf arme Länder begrenzt ist, und wecken die Angst eines Schulterschlusses zwischen den eigenen diskriminierten schiitischen Minderheiten und dem mehrheitlich schiitischen Iran, der aus seinem Wunsch nach regionaler Hegemonie keinen Hehl macht.
© 2011 Gil Yaron - Making the Middle East Understandable
|