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Written by Gil Yaron   
Sunday, 20 February 2011
Ein neuer Naher Osten

Es handelt sich scheinbar nur um zwei Kriegsschiffe, viel zu klein, um die Machtbalance im Nahen Osten zu kippen. Trotzdem gebührt den zwei iranischen Schiffen, die am Wochenende durch den Suezkanal ins Mittelmeer fuhren, reichlich Aufmerksamkeit. Diese Fahrt beendet eine alte Weltordnung. Bis vor einem Monat, bevor die Revolutionen in Tunesien und Ägypten die Spielregeln im Nahen Osten auf den Kopf stellten und die Karten neu verteilten, wurden die vielen Krisen mit einem einfachen Modell analysiert. Von Marokko bis nach Bahrain, von der Türkei bis an die Südspitze Jemens – allerorts teilten Experten und Politiker die agierenden Kräfte nach demselben Gedankenmuster ein. Dieses Modell ist jetzt überholt. Künftig wird der Nahe Osten noch komplexer.

Im Jahr 2004 prägte König Abdallah II. von Jordanien die These vom „Hilal al Schi’i“ – vom „schiitischen Halbmond“. Muslime sind in der Frage um die Nachfolge des Propheten Muhammad in zwei Lager geteilt: Seit dem 7. Jahrhundert bekämpfen sich eine sunnitische Mehrheit (etwa 85% der Muslime) und eine schiitische Minderheit (etwa 15%). Arabische Staaten sind mehrheitlich sunnitisch, beherbergen jedoch oft schiitische Minderheiten. Sunnitische Herrscher diskriminieren Schiiten und fürchten, dass sie zu einer „fünften Kolonne“ im Dienst des Iran werden könnten. Der Iran ist ein nicht-arabischer Staat, und das einzige mehrheitlich muslimische Land, das von Schiiten geführt wird. Präsident Mahmud Ahmadinedschad macht aus seinen Ansprüchen auf regionale Hegemonie keinen Hehl. Trotz erheblicher sozialer Probleme im Inland finanzierte er regimefeindliche Islamisten in der gesamten Region.

Die Furcht vor diesem „Hilal al Schi’i“, dem langen Arm der Iraner und ihre Kooperation mit Islamisten und schiitischen Minderheiten in der gesamten Region, dominierte bisher die Weltanschauung in Nahost. Die Region wähnte sich in einem Kampf zwischen Titanen – den USA und ihren Verbündeten auf der einen Seite, gegen den Iran und seine Anhänger auf der anderen. Im Libanon, Irak, Jemen oder in Palästina wurden die Kräfte entlang einer Skala eingeordnet, deren Pole Washington und Teheran bildeten.

Der Sturz des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak macht dieses Modell unbrauchbar. Mubarak war eine tragende Säule amerikanischer Nahostpolitik, ein sunnitischer Fels in der schiitischen Brandung, der sein militärisches und diplomatisches Gewicht dafür einsetzte, Teheran zurückzudrängen. Niemals hätte er es zugelassen, dass zwei iranische Kriegsschiffe den Suezkanal durchqueren und eine direkte Verbindung zu Syrien und dem Libanon herstellen. Kein Wunder also, dass die iranischen Mullahs sich über den Niedergang ihres wichtigsten Rivalen in der Region freuen.

Der Jubel ist jedoch verfrüht: Kairo wird sich zwar in Zukunft wahrscheinlich von den USA und Israel distanzieren. Das heißt aber nicht, dass Ägypten zu Ahmadinedschad überläuft. Statt zwei Lager wird es im Nahen Osten fortan drei Machtzentren und Ideologien geben. Zwei Lager bleiben wie gehabt bestehen: ein militant islamistischer Iran mit Verbündeten wie Hisbollah und Hamas, und ein geschwächtes pro-amerikanisches Lager. Mit der Revolution in Ägypten entsteht nun ein dritter Pol: Eine islamisch angehauchte, sunnitische Kraft, die dem schiitischen Iran und Amerika in gleichem Maße misstrauisch gegenübersteht. Als Paradebeispiel dafür dient die Türkei unter der AKP, die eine eigenständige Nahostpolitik betreibt, oft sehr zum Unmut des Westens.

Nicht nur der Hilal al Schii gehört mit dieser Entwicklung der Vergangenheit an. Der Nahe Osten wird in Zukunft verstärkt eigene Interessen verfolgen und weniger Diktate von außen annehmen. Nachdem Napoleon vor 212 Jahren Ägypten in wenigen Wochen mit nur 35.000 Mann eroberte und den Grundstein für europäische Vorherrschaft in Nahost legte, markiert jetzt der Auftritt zweier iranischer Kriegsschiffe im Mittelmeer, dem ersten solchen Einsatz seit der iranischen Revolution 1979, das Ende Jahrhunderte alter westlicher Übermacht in der Region.

© 2011 Gil Yaron - Making the Middle East Understandable

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