Für kurze Zeit sah es so aus, als hätte Syriens Diktator Baschar Assad die Stadt Hama aufgegeben. Rund vier Monate nach dem Ausbruch von Protesten gegen Assads Herrschaft befand sich die zentrale Stadt für wenige Tage in Händen der Demonstranten. Vergangenen Freitag war hier kein Soldat oder Polizist zu sehen. Hunderttausende, laut manchen Angaben bis zu einer halben Million Menschen, feierten am zentralen Stadtplatz in ausgelassener Stimmung ihre hart erkämpfte Freiheit: “Assad verschwinde!“, skandierten die Massen immer wieder.
Sprecher der Opposition werteten das Verschwinden von Assads Truppen als Schwäche des Regimes, dessen Elitesoldaten seit rund vier Monaten ununterbrochen im ganzen Land im Einsatz sind. Doch sie irrten sich: Das Regime scheint weiter entschlossen, ums Überleben zu kämpfen. Am Wochenende sollen mindestens 28 Menschen bei Protesten erschossen worden sein. Der Rückzug aus Hama war anscheinend nur taktisch. Am Samstag entließ Assad den Stadtgouverneur Khaled Abdel Asis. Für die Demonstranten war das ein schlechtes Zeichen, gilt der ehemalige Juraprofessor doch als Pragmatiker, der Gewalt gegen Zivilisten ablehnt. Spätestens als Sonntagfrüh die Telefonleitungen in Hama gekappt wurden, wurde klar, dass das Regime Hama nicht kampflos ausgeben will. Wenige Stunden später umzingelten tausende Soldaten und rund 100 gepanzerte Fahrzeuge die Stadt. Kurz darauf begannen die ersten Verhaftungswellen.
Der Kampf um Hama hat in der arabischen Welt besondere Bedeutung. Im Jahr 1982 erhob sich hier die Muslimbruderschaft gegen Baschars Vater Hafez Assad. Der ließ den Aufstand mit Panzern, Geschützen und Kampfflugzeugen niederkartätschen. Mindestens 10.000 Menschen, manche Schätzungen sprechen von bis zu 30.000, fanden so in weniger als zwei Wochen ihren Tod. Der Kampf war der Beginn des Vernichtungskampfes gegen die Muslimbrüder, und wurde zum Symbol für die Grausamkeit, mit der arabische Diktatoren gegen die eigene Bevölkerung vorgehen. Für arabische Kommentatoren hat der Kampf um Hama deswegen eine besondere Bedeutung: Sie glauben dass sich hier entscheiden wird, ob sich das Massaker von 1982 wiederholt und Assad im Amt bleibt, oder ob es diesmal gelingt, den Diktator mit Protesten zum Rücktritt zu zwingen.
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