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Termin: Ende Mai/Anfang Juni wieder auf Vortragsreise in Deutschland und der Schweiz
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Written by Gil Yaron   
Tuesday, 29 March 2011
Gefahr oder Gelegenheit?

Bisher bescherten die Revolutionen in der arabischen Welt Israel bedrohliche Nachrichten: Zuerst fiel in Kairo mit Hosni Mubarak einer der zuverlässigsten Friedenspartner, dann rüttelten die Proteste, an den Grundfesten anderer pragmatischer arabischer Regime, von Jordanien bis Bahrain. „Wir hatten die Befürchtung, dass die Revolution nur die gemäßigten arabischen Staaten erfassen“, sagt eine hochrangige Regierungsquelle, die aufgrund des heiklen Themas anonym bleiben will. „Ausgerechnet Israels Feinde haben aber keinerlei Skrupel, brutal gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen und habe bessere Aussichten, an der Macht zu bleiben. Dann sähe der Nahe Osten nach den Revolutionen für uns schlechter aus.“

Zumindest diese Befürchtung scheint nun überholt zu sein. In Syrien kommt es seit über zwei Wochen zu massiven Protesten gegen das Regime Baschar Assads. Sie zwangen den jungen Diktator inzwischen dazu, seine Regierung als Bauernopfer darzubieten. Doch israelische Beobachter sind sicher, dass Assad die schwerste Prüfung seit seinem Amtsantritt vor knapp elf Jahren nicht überdauern wird: „Assads Herrschaft ist vorbei“, sagt Dr. Mordechai Kedar, ehemaliger Geheimdienstler und heute Syrien-Experte an der Bar Ilan Universität.

Freue dich nicht über den Fall deines Feindes, und wenn er strauchelt, so frohlocke nicht!“, heißt es zwar im Buch der Sprüche, in israelischen Regierungskreisen betrachtet man den baldigen Untergang Assads jedoch als positive Entwicklung, wenn auch, auf direkte Anweisung von Premier Benjamin Netanjahu, lediglich hinter vorgehaltener Hand: „Wenn nicht nur die Pragmatiker, sondern auch die Extremisten von der Welle der Rebellionen erfasst werden, eröffnet das neue Perspektiven“, so eine hochrangige Regierungsquelle.

Assad etablierte Syrien als einen engen Bündnisgenossen der Iraner, Israels Erzfeind, und als Sammeladresse für die härtesten Widersacher Israels. Noch Ende Januar begründete der Diktator, der eigentlich in England als Augenarzt Karriere machen wollte, in einem Interview an das „Wall Street Journal“ seine harte Anti-Israel Politik damit, dass sie im Einklang mit dem Volkswillen stehe. Sie sei Garant dafür, dass in Damaskus im Gegensatz zu Ägypten und Tunesien keine Unruhen ausbrechen würden.

Seit Jahrzehnten spielt Syrien eine zentrale Rolle in der Israel-feindlichen Achse: In Damaskus haben palästinensische Terrororganisationen wie die Hamas ihr Hauptquartier aufgeschlagen, und auf dem Flughafen der syrischen Hauptstadt werden, so sagt Israels Militärgeheimdienst, die Waffenlieferungen Teherans an die libanesische Hisbollahmiliz entladen, bevor man sie über die Landgrenze ins Land der Zedern schmuggelt. Laut ausländischen Berichten überantwortete Assad den Kämpfern der Hisbollah ganze Kasernen mit Mittelstreckenraketen im eigenen Land. Als Mitglied der Arabischen Liga bot er seinen extremistischen Verbündeten diplomatische Rückendeckung, und kritisierte den pragmatischen Präsidenten Mahmud Abbas, weil der mit Israel verhandelte. Damit behinderte Damaskus den Friedensprozess erheblich, so Israels Sicht. Neben Assads unmissverständlicher Unterstützung für den „bewaffneten Widerstand“ gegen Israel drohte er auch immer wieder, dass er von der Idee einer militärischen Rückeroberung der von Israel 1967 in Besitz genommenen Golanhöhen nicht absehe. Syriens reguläre Armee gilt zwar als veraltet und stellt für Israels moderne Streitkräfte keine Bedrohung dar, dennoch besitzt Assad ein großes Raketenarsenal und verfügt über chemische Waffen. Sein Versuch, insgeheim ein Atomprogramm auf die Beine zu stellen, wurde von israelischen Kampfbombern im September 2007 im letzten Augenblick durchkreuzt.

Der Untergang Assads bietet Israel deswegen augenscheinlich viele Vorteile: „Ohne Assad wird Syrien kaum ein geeintes Land bleiben“, meint Kedar. Ähnlich wie der Irak, Jemen oder der Sudan werde das Land in seine ethnischen Bestandteile zerfallen. Dies hätte  für Israel zwei große Vorteile: Assad habe Israel als Feind kultiviert, um von inneren Problemen abzulenken. „Wenn man Kurden, Drusen, Sunniten und Alawiten nicht mehr in ein künstliches Korsett zwängen muss, verschwindet auch die Notwendigkeit, Israel als Feindbild zu pflegen“, meint Kedar. Zum anderen wäre ein in Teilstaaten zerfallenes Syrien militärisch keine Gefahr mehr für Israel. mit einem Drusen- oder Kurdenstaat entstünden vielleicht sogar neue strategische Verbündete. Andere israelische Sprecher klopften sich selbst in den Medien dafür auf die Schulter, dass Israel keinen Friedensvertrag mit Assads Regime unterschrieben und die Golanhöhen zurückgegeben habe. Diese Forderung könnte bei einem Zerfall Syriens vollends entfallen, und der Golan für immer in israelischen Händen bleiben.

Doch auch wenn viele Israelis ihre Schadenfreude über Assads Probleme kaum verbergen wollen, könnte ein Niedergang Assads auch negative Konsequenzen für ihr Land haben. „Erst einmal bin ich mir noch gar nicht sicher, ob Assad überhaupt stürzen wird“, sagt Professor Itamar Rabinovic, Rektor der Universität und ehemaliger Chefunterhändler der israelischen Regierung in den gescheiterten Friedensgesprächen mit Syrien. „Doch wenn er stürzt, könnte es zu einer lang andauernden Phase der Instabilität kommen. Schon 1967 führte genau so ein Zustand zum Sechs-Tage Krieg“, warnt Rabinovic. Niemand kann vorhersagen, wer letztlich Syriens gewaltiges Raketen- und C-Waffenarsenal kontrollieren wird. Assad war vielleicht ein Feind, aber es war auf ihn Verlass. Paradoxerweise ist Israels Waffenstillstandslinie mit Syrien seit Jahrzehnten die ruhigste Landesgrenze. Assad ist rational: Er konnte mit Drohungen in Schach gehalten werden. „Niemand weiß, wer nach Assad das Ruder übernimmt. Es könnten auch die Muslimbrüder oder noch extremistischere Strömungen sein, die für uns noch gefährlicher sind“, mahnt Rabonovic.

Der amerikanische Nobelpreisträger John Steinbeck mag diese potentiellen Gefahren im Sinn gehabt haben, als er sagte: „Es ist besser, sich mit zuverlässigen Feinden zu umgeben, als mit unzuverlässigen Freunden.“

© 2011 Gil Yaron - Making the Middle East Understandable

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